Nur ein ethisches Gebot: ‚Kooperiere zum Wohle aller Menschen!‘
„Die höchsten Gesetze der Sittenlehre werden mit den tiefsten Lebensgesetzen identisch sein.“ J.M. Guyau (1885: zit. nach Ritter 1972 S. 799)
Einleitung
Aus religiöser Sicht ist Ethik mit einem Gott verknüpft. In religiös ethischen Zusammenhängen kommt Gott die Vorbildfunktion des absolut Guten und des höchsten Richters über Gut und Böse zu, dem „Jüngsten Gericht“.
Im Buddhismus tritt an die Stelle eines attraktiven persönlichen Vorbilds der anzustrebende Meta-Bewusstseinszustand des „reinen Bewusstseins“ und in die Funktion des ‚Letzten Gerichts‘ das Gesetz des Karma, dem sich kein Mensch entziehen kann.
‚Religion‘ bedeutet im Lateinischen ursprünglich „die gewissenhafte Sorgfalt in der Beachtung von Vorzeichen und Vorschriften.“ (Kluge 2002 zit. n. Wikipedia; s.a. Petzold 2017). Dabei sind insbesondere auch allgemeingültige Vorschriften, ethische Gebote zur Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen gemeint.
Im Buddhismus tritt an die Stelle eines attraktiven persönlichen Vorbilds der anzustrebende Meta-Bewusstseinszustand des „reinen Bewusstseins“ und in die Funktion des ‚Letzten Gerichts‘ das Gesetz des Karma, dem sich kein Mensch entziehen kann.
‚Religion‘ bedeutet im Lateinischen ursprünglich „die gewissenhafte Sorgfalt in der Beachtung von Vorzeichen und Vorschriften.“ (Kluge 2002 zit. n. Wikipedia; s.a. Petzold 2017). Dabei sind insbesondere auch allgemeingültige Vorschriften, ethische Gebote zur Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen gemeint.
Auch in einer säkularen globalen Ethik spielen diese Qualitäten bzw. Funktionen eine wichtige Rolle, allerdings haben sie andere Namen. Das Gute als Annäherungsziel ist hier auf der Erde das Wohlergehen aller Menschen in der Biosphäre. Gott ist das ‚große Ganze‘, das in unterschiedlichen Dimensionen jeweils als größtes Übersystem erscheint (z.B. Familie, Volk, Menschheit, Biosphäre/Erde, Universum). Die Funktion des Richtens haben heute weltliche Gerichte mit der Exekutive in den einzelnen Staaten übernommen. Das übergeordnete Weltgericht, der Internationale Gerichtshof, ist im Aufbau. Weiter spielen das Gewissen und die Wertungen unserer Mitmenschen eine wichtige Rolle. Ethisch gut ist — allgemein und säkular formuliert — ein Leben in Kohärenz[1], das bedeutet in innerer Stimmigkeit und stimmiger Verbundenheit mit den Partner- und Übersystemen.
In einer säkularen Ethik verwenden wir also andere Bezeichnungen für ähnliche menschliche Anliegen — allerdings ohne die religiöse Transzendierung. Eine der Transzendenz ähnliche Beziehung haben wir zu der gänzlich unbestimmbaren Komplexität des größten Ganzen, die wir auch in einer systemischen Sicht finden, wie schon beim Begründer der Systemtheorie Ludwig v. Bertalanffy (1949 S.65): „Die Entwicklung ist nicht eine Leistung unabhängiger Anlagen oder Entwicklungsmaschinen, sondern vom Ganzen beherrscht.“
Franz Alt hat zusammen mit dem Dalai Lama (2015) und im Interview (2018 in: Der Mensch, Heft 57 S. 5–9 s.a. www.salutogenese-dachverband.de) schon viele wichtige Argumente für die Notwendigkeit einer säkularen globalen Ethik genannt. In diesem Beitrag hier möchte ich gute Gründe anführen für ein einfaches übergeordnetes ethisches Gebot zur Kooperation. Dazu beginne ich mit einer kurzen meta-ethischen Reflexion zur Bedeutung von Ethik heute und skizziere im Weiteren die Implikationen und mögliche Folgen einer Ethik zur Kooperation.
Ethik — als Orientierung für einen historischen Entwicklungsprozess
Metaethische Reflexion
Eine Ethik soll eine allgemeingültige Handlungsorientierung geben. Das Annäherungsziel für unser Tun, das übergeordnete Gute, ein gutes Leben, ist in der Einleitung schon skizziert. Viele religiöse Ethiken haben die sog. Goldene Regel der “praktischen Ethik” als eine Grundlage. Diese begründet Ethik in einer individuellen Subjektivität ähnlich wie auch der kategorische Imperativ Immanuel Kants (1788/2015 S. 738). „Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem anderen zu. Oder positiv: Was du willst, das man dir tut, das tue auch den anderen!“ (s. „Erklärung zum Weltethos“ 1993; Düwell u.a. 2011; wikipedia: Goldene Regel; vgl. a. die ‚Tit-for-Tat‘[2]-Regel in der Spieltheorie: Axelrod 2009). Dieses praktisch ethische Prinzip hat die Entwicklung des Zusammenlebens der Menschen mindestens in den letzten 2.500 Jahren mitgeprägt: zum einen als Grundlage für die Rechtsprechung vom Stammesleben zur rechtsstaatlichen Zivilisation (s.a. Gerechtigkeit bei Rawls 2009), und zum anderen als Konfrontation mit der eigenen Wirkung und damit zur Herausforderung des individuellen Potentials – den Weg der Individuation. Der Rückbezug allen Daseins auf das Individuum (s. Störig 1992 S.710; Düwell u.a. 2011), selbst in der Evolutionstheorie im Überleben des Fittesten bei Darwin, hat womöglich auch zum heutigen egozentrischen und narzisstischen Größenwahn geführt. Dazu gehört auch die Suche der letzten Ursache des Lebens im kleinsten Teil anstatt in systemischen Beziehungen: zunächst im Individuum, dann in Organen wie besonders dem Gehirn, Zellen, Genen sowie Elementarteilchen. Diese atomistische Sichtweise wird heute in den Wissenschaften durch die systemische Sicht polar ergänzt bzw. korrigiert; letztere baut eine Brücke zur Ethik auf der Grundlage von Gewissen und Moralprinzip als Erscheinung systemischer Verbundenheit (vgl. Düwell u.a. 2011 S.377ff; Störig S. 412ff; Petzold 2011, 2014; Petzold & Bahrs 2018).
Mit der religiösen Transzendierung dieser praktischen Goldenen Regel zu einem ethischen göttlichen Prinzip wurde diese im größten Ganzen begründet. Damit wurde jeder einzelne Mensch in direkte Gegenüberstellung zur Komplexität eines größten Ganzen gebracht, die in der Realität nicht begründbar oder fassbar ist (von der wir uns „kein Bild machen“ sollen (Moses 2. Gebot)). Das Individuum konnte sich damit vom Teil eines Stammes zu einem selbstähnlichen Abbild (Fraktal), einem „Ebenbild Gottes“ entfalten. Das ermöglichte eine Erweiterung des Bewusstseins durch Loslösung von den relativ einfachen und festen Denk- und Kooperationsmustern der Familien und Stämme und eine Hinwendung zu komplexeren und größeren Zusammenhängen sowie auch Kooperationen mit Fremden bzw. anderen Stämmen.
An dem historischen Entwicklungs- und Wendepunkt, an dem wir uns heute befinden (s.a. Anthropozän), wird deutlich, dass unser Heil sowie das gute Leben unserer Kinder immer mehr vom Allgemeinwohl und dem Zustand der Umwelt abhängen als von unserem individuellen Charakter. Da der Charakter jedes Einzelnen im Wesentlichen das Ergebnis seiner Beziehungserfahrungen ist, rückt auch aus psychologischer Sicht die Beziehung in den Fokus. Dabei können wir heute diese Beziehungen und Zustände des Allgemeinwohls in der Umwelt schon in großem Maße gestalten. Dazu brauchen wir eine Ethik, die dieses systemische Allgemeinwohl und den Weg dorthin ins Zentrum ihrer Begründung stellt. Der Weg zum guten Leben aller Menschen ist ihre Kooperation — Kooperation auf allen Ebenen und unter Wertschätzung aller individuellen Charaktere und Wesensarten.
Mit der religiösen Transzendierung dieser praktischen Goldenen Regel zu einem ethischen göttlichen Prinzip wurde diese im größten Ganzen begründet. Damit wurde jeder einzelne Mensch in direkte Gegenüberstellung zur Komplexität eines größten Ganzen gebracht, die in der Realität nicht begründbar oder fassbar ist (von der wir uns „kein Bild machen“ sollen (Moses 2. Gebot)). Das Individuum konnte sich damit vom Teil eines Stammes zu einem selbstähnlichen Abbild (Fraktal), einem „Ebenbild Gottes“ entfalten. Das ermöglichte eine Erweiterung des Bewusstseins durch Loslösung von den relativ einfachen und festen Denk- und Kooperationsmustern der Familien und Stämme und eine Hinwendung zu komplexeren und größeren Zusammenhängen sowie auch Kooperationen mit Fremden bzw. anderen Stämmen.
An dem historischen Entwicklungs- und Wendepunkt, an dem wir uns heute befinden (s.a. Anthropozän), wird deutlich, dass unser Heil sowie das gute Leben unserer Kinder immer mehr vom Allgemeinwohl und dem Zustand der Umwelt abhängen als von unserem individuellen Charakter. Da der Charakter jedes Einzelnen im Wesentlichen das Ergebnis seiner Beziehungserfahrungen ist, rückt auch aus psychologischer Sicht die Beziehung in den Fokus. Dabei können wir heute diese Beziehungen und Zustände des Allgemeinwohls in der Umwelt schon in großem Maße gestalten. Dazu brauchen wir eine Ethik, die dieses systemische Allgemeinwohl und den Weg dorthin ins Zentrum ihrer Begründung stellt. Der Weg zum guten Leben aller Menschen ist ihre Kooperation — Kooperation auf allen Ebenen und unter Wertschätzung aller individuellen Charaktere und Wesensarten.
Ethik im Gestaltungsprozess
Wir Menschen befinden uns in einem lebendigen Entwicklungsprozess in der Biosphäre, für deren Zustand wir heute weitgehend verantwortlich sind. Die jeweils aktuelle Kohärenz wird gebildet durch Kooperation von Nationen, Organisationen, Gruppen und Individuen untereinander und mit ihrer Umwelt und drückt sich in dieser Kooperation und Kommunikation aus (vgl. ‚Kohärentismus‘ Düwell u.a. 2011; Steigleder 2005; Petzold & Bahrs 2018).
Das verbindende Ziel für die Kooperation ‚ein gutes Leben aller Menschen‘ ist ein den jeweiligen Gegebenheiten angepasstes und damit veränderliches Ziel, bei dem alle betroffenen Menschen Mitsprache- und Mitwirkungsrecht und -pflicht haben. Das gute Leben beginnt in und mit der Kooperation zu diesem Ziel (s.a. in Der Mensch, Heft 57 unter “Lehre…”, “Praxis…”, “Neues und Gutes”). Weg und Ziel werden eins. Ethik soll ein Wegweiser sein. Das gute Leben kann heute beginnen. Es kann durch geeignete Kooperation immer besser werden — dazu gehört auch die Kommunikation über die Ethik (‚Diskursethik‘ Habermas 1983; Düwell u.a. 2011).
Das verbindende Ziel für die Kooperation ‚ein gutes Leben aller Menschen‘ ist ein den jeweiligen Gegebenheiten angepasstes und damit veränderliches Ziel, bei dem alle betroffenen Menschen Mitsprache- und Mitwirkungsrecht und -pflicht haben. Das gute Leben beginnt in und mit der Kooperation zu diesem Ziel (s.a. in Der Mensch, Heft 57 unter “Lehre…”, “Praxis…”, “Neues und Gutes”). Weg und Ziel werden eins. Ethik soll ein Wegweiser sein. Das gute Leben kann heute beginnen. Es kann durch geeignete Kooperation immer besser werden — dazu gehört auch die Kommunikation über die Ethik (‚Diskursethik‘ Habermas 1983; Düwell u.a. 2011).
Der Weg: Kooperation
Der eine Begriff ‚Kooperation‘ beinhaltet schon zwei grundlegend wichtige Aspekte des Lebens: Menschen, Lebewesen, Systeme wirken bzw. tun etwas gemeinsam also in Beziehung (ggf. unsichtbar, implizit), und sie haben dabei ein verbindendes Ziel (auch dies kann implizit sein: Intentionalität, Attraktor[3]). Das allgemein verbindende Ziel ist oben formuliert: Ein gutes Leben in Kohärenz. Was dies jeweils konkret bedeutet wird im Laufe der Entfaltung der Kooperation immer wieder von den Betroffenen bestimmt, sowohl in der täglichen konstruktiven Arbeit als auch in ethisch problematischen Fällen in der Medizin (Wiesing 2012; Habermas 1983; Paul u. Müller-Salo in Der Mensch 57 S. 45 und Heim S. 57).
Was bedeutet ‚kooperieren‘ — insbesondere für Menschen?
Mit gemeinsamem Tun zu einem guten Zweck dokumentieren und schaffen wir Zugehörigkeit, Verbundenheit, Beziehung, Vertrauen, Befriedigung, Freude, Glück und Zufriedenheit. Es ist ein salutogenes Mittel gegen Vereinsamung, Angst und Depression, die großen Gesundheitsprobleme unserer hoch individualisierten Zivilisation, das heute schon in vielen therapeutischen, präventiven und Selbsthilfe-Settings angewendet wird (‚Beziehungsmedizin‘).
Kooperieren ist Selbstwirksamkeit und Selbstverwirklichung in Beziehung und kann glücklich machen — auch weil sie ein Grundbedürfnis befriedigt (s.a. Heckenbeck Film 2016). Kooperation ist der schöpferische Faktor der Evolution (Bauer 2008; Petzold 2017).
Kooperation erscheint als die Essenz von Beziehung überhaupt, das Wesentliche jeder aufbauenden Interaktion — zellulär-organismisch, persönlich, familiär, ökonomisch, ökologisch, international sowie interreligiös.
Kooperation ist das Grundbedürfnis von Lebewesen, das womöglich allen anderen Bedürfnissen zugrunde liegt (auch Atmen und Nahrungsaufnahme sind kooperative Akte — mit der Umgebung). Menschen haben weitergehend ein angeborenes Grundbedürfnis und die Fähigkeit einer besonderen Kooperation. Das ist die frohe Botschaft der Untersuchungen der Arbeitsgruppe von Michael Tomasello am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig (2010, 2014).
In vielen Experimenten vor allem mit kleinen Kindern und Primaten hat Tomasello mit seinem Team spezifisch menschliche Charakteristika und Fähigkeiten beobachten können, ohne dass diese irgendwie eingeübt oder verlangt wurden. Kinder haben spontan aus sich heraus ein derartiges Kooperationsverhalten gezeigt — beginnend ab dem Alter von neun bis zwölf Monaten.[4]
In ihrer zusammenfassenden Definition einer menschlich partnerschaftlichen Kooperation finden wir die wesentlichen positiven Aspekte von Beziehung überhaupt:
1. Kooperative Beziehung bedeutet ein gegenseitiges Eingehen aufeinander.
2. Sie dient einem Zweck, Ziel, Sinn, einem Attraktor. Die Verbindung (Kohärenz) erfolgt durch eine gemeinsame Intentionalität, ein Teilen des Attraktors (auch durch Mitwissen[5] und Mitgefühl).
3. In einer Beziehung haben die Beziehungspartner unterschiedliche Rollen(Aufgaben), die sie miteinander abstimmen. Idealerweise beruht die Rollenverteilung auf maximaler Freiwilligkeit und ist verknüpft mit einer Wertschätzung der Rolle des anderen (seine Fähigkeiten, Absichten, Handlungen, Leistungen).
4. Wenn einer der Kooperationspartner seine Rolle / Aufgabe nicht hinreichend erfüllen kann, hilft der andere ihm dabei nach Kräften. Dazu ist Achtsamkeit und Mitgefühl mit dem anderen erforderlich und hilfreich.
Wenn wir derartiges zwischenmenschliches Beziehungsverhalten zum ethischen Gebot erheben, fordern wir vom Menschen nichts, was ihm aufgesetzt oder fremd wäre, sondern nur, dass er sein menschlich kooperatives Potential entfaltet — und zwar nicht nur in Beziehungen in einer begrenzten Gruppe (die im negativen Fall eine kriminelle Bande sein könnte), sondern im imaginierten Bezug zu allen Menschen als potentielle Kooperationspartner resp. der Menschheit oder dem Planeten als großem Ganzen: ‚Global visualisieren — lokal kooperieren!‘[6]
Kooperieren ist Selbstwirksamkeit und Selbstverwirklichung in Beziehung und kann glücklich machen — auch weil sie ein Grundbedürfnis befriedigt (s.a. Heckenbeck Film 2016). Kooperation ist der schöpferische Faktor der Evolution (Bauer 2008; Petzold 2017).
Kooperation erscheint als die Essenz von Beziehung überhaupt, das Wesentliche jeder aufbauenden Interaktion — zellulär-organismisch, persönlich, familiär, ökonomisch, ökologisch, international sowie interreligiös.
Kooperation ist das Grundbedürfnis von Lebewesen, das womöglich allen anderen Bedürfnissen zugrunde liegt (auch Atmen und Nahrungsaufnahme sind kooperative Akte — mit der Umgebung). Menschen haben weitergehend ein angeborenes Grundbedürfnis und die Fähigkeit einer besonderen Kooperation. Das ist die frohe Botschaft der Untersuchungen der Arbeitsgruppe von Michael Tomasello am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig (2010, 2014).
In vielen Experimenten vor allem mit kleinen Kindern und Primaten hat Tomasello mit seinem Team spezifisch menschliche Charakteristika und Fähigkeiten beobachten können, ohne dass diese irgendwie eingeübt oder verlangt wurden. Kinder haben spontan aus sich heraus ein derartiges Kooperationsverhalten gezeigt — beginnend ab dem Alter von neun bis zwölf Monaten.[4]
In ihrer zusammenfassenden Definition einer menschlich partnerschaftlichen Kooperation finden wir die wesentlichen positiven Aspekte von Beziehung überhaupt:
1. Kooperative Beziehung bedeutet ein gegenseitiges Eingehen aufeinander.
2. Sie dient einem Zweck, Ziel, Sinn, einem Attraktor. Die Verbindung (Kohärenz) erfolgt durch eine gemeinsame Intentionalität, ein Teilen des Attraktors (auch durch Mitwissen[5] und Mitgefühl).
3. In einer Beziehung haben die Beziehungspartner unterschiedliche Rollen(Aufgaben), die sie miteinander abstimmen. Idealerweise beruht die Rollenverteilung auf maximaler Freiwilligkeit und ist verknüpft mit einer Wertschätzung der Rolle des anderen (seine Fähigkeiten, Absichten, Handlungen, Leistungen).
4. Wenn einer der Kooperationspartner seine Rolle / Aufgabe nicht hinreichend erfüllen kann, hilft der andere ihm dabei nach Kräften. Dazu ist Achtsamkeit und Mitgefühl mit dem anderen erforderlich und hilfreich.
Wenn wir derartiges zwischenmenschliches Beziehungsverhalten zum ethischen Gebot erheben, fordern wir vom Menschen nichts, was ihm aufgesetzt oder fremd wäre, sondern nur, dass er sein menschlich kooperatives Potential entfaltet — und zwar nicht nur in Beziehungen in einer begrenzten Gruppe (die im negativen Fall eine kriminelle Bande sein könnte), sondern im imaginierten Bezug zu allen Menschen als potentielle Kooperationspartner resp. der Menschheit oder dem Planeten als großem Ganzen: ‚Global visualisieren — lokal kooperieren!‘[6]
Kooperation als praktischer Ausdruck von Verbundenheit / Kohärenz
Michael Tomasello (2010) beschreibt eins seiner vielen Experimente so: In einem Raum sitzt ein zwölf Monate alter Säugling und spielt. Im selben Raum ordnet eine Bezugsperson Akten in einem Schrank, stellt einen Ordner hinter den Schrank, geht raus, kommt wieder rein und sucht den letzten Aktenordner. Der Säugling zeigt auf den Ordner hinter dem Schrank.
Abb. 1: Intentionaler Resonanzraum zur Kooperation
Tomasello nennt es: Teilen der Intentionalität (2010, 2014). Der Säugling geht in Resonanz mit der Absicht der Bezugsperson und aus dieser dann gemeinsam geteilten Intentionalität[7] heraus kooperiert er mit der Bezugsperson. Die Voraussetzung für eine gelingende Kooperation ist eine gemeinsame Intentionalität.
Diese bedeutet auch ein Mitwissen des Kindes an den Informationen seines Übersystems (hier der Bezugsperson als Vertreter der Familie). Aus dem Bedürfnis nach Kooperation und diesem Mitwissen ist es motiviert, im Übersystem mehr Kohärenz herzustellen (s.a. Petzold 2000, 2017, 2018, Petzold & Bahrs 2018). Wenn wir den Attraktor vom ‚guten Leben aller Menschen‘ antizipieren und als gemeinsame Intentionalität teilen, können wir uns auf den Weg einer erfolgreichen Kooperation zur Annäherung machen.
Diese bedeutet auch ein Mitwissen des Kindes an den Informationen seines Übersystems (hier der Bezugsperson als Vertreter der Familie). Aus dem Bedürfnis nach Kooperation und diesem Mitwissen ist es motiviert, im Übersystem mehr Kohärenz herzustellen (s.a. Petzold 2000, 2017, 2018, Petzold & Bahrs 2018). Wenn wir den Attraktor vom ‚guten Leben aller Menschen‘ antizipieren und als gemeinsame Intentionalität teilen, können wir uns auf den Weg einer erfolgreichen Kooperation zur Annäherung machen.
Vision eines Weges der Kooperation zum guten Leben
Der Weg zum guten Leben aller Menschen ist ein mehrdimensionaler Vorgang. Auf dem Weg wiederholen sich Schritte, die anderen ähnlich sind und jeweils auf den vorherigen aufbauen — Schritt für Schritt. Ähnlich an jedem Schritt der Kooperation ist 1. die Orientierung an einem gemeinsamen Attraktor, 2. die Übernahme und Ausführung einer eigenen Rolle in der arbeitsteiligen Kooperation und 3. die gemeinsame Bilanzierung der Annäherung an das Ziel und die Reflexion der Erfahrungen und das Lernen daraus. Dazu gehört 4. ggf. auch zu bemerken, dass ein Partner für seine Rolle Unterstützung braucht (vgl.o. die vier Aspekte von Kooperation und Beziehung).
Kooperation zur Entwicklung des Individuums
Beginnen wir beim einzelnen Menschen: Sein Leben, Wachstum und seine Entwicklung sind ein Ergebnis des Zusammenwirkens seiner Organe und Zellen. Diese dienen und kooperieren zum Zwecke der Kohärenz seiner Ganzheit. Ähnlich werden im Laufe der gesunden Entwicklung eines Menschen alle seine Erfahrungen (auch ‚Ich-Zustände‘) zu einer kohärenten Gesamtpersönlichkeit, einem ‚Ich‘ integriert (Petzold 2018). ‚Kohärenz / Stimmigkeit‘ ist unser übergeordneter Attraktor, unser höchstes Annäherungsziel (vgl. Grawe 2004; Petzold 2014). Im Laufe unseres Lebens lernen wir zunehmend für diese eigene Kohärenz (auch Gesundheit) bewusst selbst zu sorgen (Selbstfürsorge); das bedeutet, dass jeder sowohl impliziter als auch bewusster Dirigent und Moderator für die Kooperation all seiner Subsysteme wird. Jeder, der gut für seine Kohärenz sorgt, bringt damit schon einen wichtigen Beitrag zum guten Leben aller Menschen, denn jeder ist einer von allen. Win-win-Kooperationen können sogar bei egoistischen Partnern funktionieren, wie Axelrod (2009) in der „Spieltheorie“ gezeigt hat.
Dabei findet diese Selbstregulation und Selbstfürsorge von Beginn an in Kooperation mit unserer Umgebung statt: Die in Kooperation befruchtete Eizelle braucht den Schutz und die Nahrung der Mutter, der Säugling erwartet auf sein Erscheinen hin und auf die Mitteilung seiner Bedürfnisse die nährende und aufbauende Antwort seiner Mutter oder anderer Bezugspersonen bzw. der Umgebung. Mit zunehmender Reife können wir uns dann ‚selbst bedienen‘ an dem, was die Natur bzw. andere Menschen bereitgestellt haben. Auch hier bleibt Kooperation die Grundlage unseres täglichen Lebens.
Dabei findet diese Selbstregulation und Selbstfürsorge von Beginn an in Kooperation mit unserer Umgebung statt: Die in Kooperation befruchtete Eizelle braucht den Schutz und die Nahrung der Mutter, der Säugling erwartet auf sein Erscheinen hin und auf die Mitteilung seiner Bedürfnisse die nährende und aufbauende Antwort seiner Mutter oder anderer Bezugspersonen bzw. der Umgebung. Mit zunehmender Reife können wir uns dann ‚selbst bedienen‘ an dem, was die Natur bzw. andere Menschen bereitgestellt haben. Auch hier bleibt Kooperation die Grundlage unseres täglichen Lebens.
Kooperation zur Weitergabe und Entfaltung des Lebens
Jeder ist nicht nur Übersystem für seine Organsysteme und Ich-Zustände, sondern gleichzeitig auch Teil/Subsystem eines größeren Systems, von dem er sein Leben geschenkt bekommen hat. Da ist zunächst das direkte Übersystem der Eltern und Familie, aus dem und in das wir geboren werden. Das oft implizite Ziel der Kooperation in der Familie ist die Weitergabe und Entfaltung des bio-sozialen Lebens. Diesem Zweck dient die überwiegend direkte und sinnliche non- und para-verbale Kommunikation mit unseren nächsten Mitmenschen. Schon Säuglinge und Kleinkinder kooperieren mit ihren Eltern und Geschwistern, um eine möglichst gute Kohärenz für das bio-soziale Leben herzustellen (vgl. Juul 2014). So können wir das Schreien eines Kindes sowie all seine Emotionen und sogar einige Erkrankungen als Beitrag zu diesem Ziel verstehen, denn sie zeigen damit den anderen Familienmitgliedern, was sie zu ihrer Entfaltung brauchen — als eine systemische Rückkopplung. In dieser intensiven direkten Kooperationserfahrung in der Familie bilden sich im Kind Kooperationsmuster aus, die mit impliziten Erwartungen und Emotionen an die Kooperationspartner verknüpft sind[8].
Wenn Vater oder Mutter implizit oder explizit wirklich meinen, das Kind sei für sie selbst als Besitz da (‚Ich will ein Kind haben.‘), fallen sie aus der Kohärenz der Familie heraus, weil sie nicht die oberste Intentionalität der ‚Weitergabe des Lebens‘ in der Familie teilen. Damit sind Probleme in der Kooperation, also in den familiären Beziehungen vorprogrammiert. Deshalb ist es für jede Kooperation sehr wichtig, die maßgebliche, tragende Intentionalität zu klären, selbst für die Gründung einer Familie.
Wenn Vater oder Mutter implizit oder explizit wirklich meinen, das Kind sei für sie selbst als Besitz da (‚Ich will ein Kind haben.‘), fallen sie aus der Kohärenz der Familie heraus, weil sie nicht die oberste Intentionalität der ‚Weitergabe des Lebens‘ in der Familie teilen. Damit sind Probleme in der Kooperation, also in den familiären Beziehungen vorprogrammiert. Deshalb ist es für jede Kooperation sehr wichtig, die maßgebliche, tragende Intentionalität zu klären, selbst für die Gründung einer Familie.
Vertikale und horizontale Kooperation
Kooperation beinhaltet im positiven Fall ein Dienen am gemeinsamen Ganzen, zu einem größeren Zweck (bottom-up). Dies ist ein Teil des senkrechten Aspekts von Kooperation, der den Beziehungsaspekt von Individuum zur Gruppe (Übersystem), Organisation, Nation und zur Menschheit/Biosphäre kennzeichnet. Dieser folgert aus dem Streben des Menschen nach Kohärenz mit seinen Übersystemen und impliziert auch eine gewisse autonom regulierte Anpassung an diese. Das große Ganze befindet sich in einem ständigen Werdeprozess durch die Kooperation seiner Subsysteme.
Abb. 2: Kommunikation und Kooperation in Systemen
Im Gegenzug beinhaltet die senkrechte Kooperation eine top-down Aktivität des Übersystems, die im positiven Fall zwei Aspekte hat: a) einen offenen und gleichzeitig sicheren und nahrhaften Raum für die partnerschaftliche Kooperation der Individuen zur Verfügung zu stellen und b) richtungsweisende Themen für Entwicklung (auch Problemlösung) zu formulieren (vgl. moderne Schul- und Bildungs- und Seminarkonzepte, wie z.B. die Open-Space-Technology; Kreativer Gruppenprozess in der Salutogenen Kommunikation: Petzold 2010).
In der top-down Kooperation kommt es häufig auch ungewollt zu Verletzungen, wenn ein Individuum, bzw. eine Gruppe, Organisation usw. in seinem gutwilligen kooperativen Bemühen nicht anerkannt wird, sondern vielmehr mit seiner Leistung ignoriert oder bestraft wird. Oft steckt dahinter nicht einmal schlechter Wille der übergeordneten Person, sondern schlicht Unfähigkeit oder die Unmöglichkeit, auf so viele individuelle Beiträge und Themen einzugehen. Eine gute top-down Kooperation ist allerdings in jedem Fall bemüht, Regeln und Maßnahmen seitens des Übersystems (vermittelt durch die Leitung) zu begründen und transparent zu machen und somit angemessen auf das Bedürfnis der Subsysteme nach einem Auf-einander-Eingehen einzugehen. In einer horizontalen partnerschaftlichen Kooperation dagegen ist die Erwartung eines individuellen Eingehens aufeinander angebracht, wie Tomasello es schon bei Kleinkindern beobachtet hat.
Das Übersystem bietet im guten Fall also einen möglichst guten Rahmen / Raum für die kokreative[9] Kooperation seiner Subsysteme. Die einzelnen Menschen bzw. Gruppen nutzen diese Räume zur Kokreation — im mangelnden Fall schaffen sie sich diese selber.
In der top-down Kooperation kommt es häufig auch ungewollt zu Verletzungen, wenn ein Individuum, bzw. eine Gruppe, Organisation usw. in seinem gutwilligen kooperativen Bemühen nicht anerkannt wird, sondern vielmehr mit seiner Leistung ignoriert oder bestraft wird. Oft steckt dahinter nicht einmal schlechter Wille der übergeordneten Person, sondern schlicht Unfähigkeit oder die Unmöglichkeit, auf so viele individuelle Beiträge und Themen einzugehen. Eine gute top-down Kooperation ist allerdings in jedem Fall bemüht, Regeln und Maßnahmen seitens des Übersystems (vermittelt durch die Leitung) zu begründen und transparent zu machen und somit angemessen auf das Bedürfnis der Subsysteme nach einem Auf-einander-Eingehen einzugehen. In einer horizontalen partnerschaftlichen Kooperation dagegen ist die Erwartung eines individuellen Eingehens aufeinander angebracht, wie Tomasello es schon bei Kleinkindern beobachtet hat.
Das Übersystem bietet im guten Fall also einen möglichst guten Rahmen / Raum für die kokreative[9] Kooperation seiner Subsysteme. Die einzelnen Menschen bzw. Gruppen nutzen diese Räume zur Kokreation — im mangelnden Fall schaffen sie sich diese selber.
Abb. 3: Systemisches Evolutionsmodell
Wenn vom Übersystem keine kohärenten Themen vorgeschlagen oder nur Probleme genannt bzw. produziert werden, die einigen Subsystemen irrelevant oder anachronistisch erscheinen, können diese, ggf. auch einzelne Menschen, ihre Themen aus einem Mitwissen an der Kohärenz von Über-Übersystemen ableiten. Das war und ist z.B. in der Ökologie lange so gewesen. Vor 40 Jahren waren die Grünen mit ihren Umweltthemen in Bezug auf Schädigung der Biosphäre belächelte Außenseiter, heute werden die Forderungen auf einem Welt-Klima-Gipfel beschlossen. So funktionieren kulturelle und sogar globale Veränderungsprozesse, beginnend mit der Antizipation von Themen der Kohärenz vom übergeordneten “großen Ganzen” und der Kooperation von zunächst einzelnen Menschen und Gruppen, dann Organisationen und Regierungen unter einer ähnlichen gemeinsamen Intentionalität.
Hindernisse für eine kokreative Kooperation
Viele Leser werden jetzt fragen: “Wenn den Menschen das Bedürfnis nach menschlich partnerschaftlicher Kooperation und die Fähigkeit dazu angeboren ist, warum klappt das so selten?” Die Antworten auf diese Frage werden in der Regel als persönlich verurteilende im Rahmen des üblichen idealistischen und moralisch individualisierenden Denkens gegeben: „Geld- und Machtgier, Egoismus, mangelndes Vertrauen, Genusssucht, Rücksichtslosigkeit, mangelndes Mitgefühl, Dummheit“ u.a.m. In den letzten Jahrzehnten sind auch Diagnosen aus der Kiste der Psychopathologie zur Negativ-Bewertung von Menschen und als vermeintliche ‚Ursachen‘ von Störungen in der Kooperation sehr beliebt geworden: „Psychopathen, Narzissten, Neurotiker“ u.ä. Eine derartige individualisierende diskriminierende Beurteilungs- und Betrachtungsweise ist selbst schon ein großes Hindernis für erfolgreiche Kooperation. Von all diesen die Störung fortsetzenden Be- und Verurteilungen können wir uns lösen, wenn wir erkennen, dass diese Menschen in systemischen Beziehungen Kooperationsmuster gelernt haben, die in der vergangenen Situation funktional waren, aber aktuell dysfunktional sind.
Zum Beispiel lebt ein Kind in einer Beziehung zu seiner Mutter, die überfordert und fast nur mit sich selbst beschäftigt ist und so dem Kind nicht die Mindest-Aufmerksamkeit schenken kann, die dieses zu seiner gesunden Entwicklung braucht. Das Kind unternimmt vieles, um noch ein Mindestmaß an Zuwendung zu bekommen und macht die Erfahrung, dass sein Bemühen halbwegs erfolgreich ist, wenn es ausflippt, extrem lacht oder laut wird oder der Mutter Vorwürfe macht, so wie der Vater. Dann wird auch die Mutter aus ihrer Selbstbeschäftigung notfallmäßig herausgerissen und das Kind bekommt zumindest die Sorge der Mutter und des Vaters als einen Teil des persönlichen Eingehens im Rahmen der familiären Kooperation. In dieser Familie ist das Ausflippen und Vorwürfe machen ein Bestandteil einer relativ funktionalen Kooperation. Wenn dieses Kind erwachsen ist und in einer Gruppe nicht die gewünschte Aufmerksamkeit bekommt, und jetzt als erwachsene Person der Leitung Vorwürfe macht oder laut ausflippt, kann sie damit auf Ablehnung und Ausschluss aus der Gruppe stoßen und ggf. zu der Erkenntnis kommen, dass die Gruppe noch schlimmer sei als ihre Eltern (denn diese haben sie wenigstens nicht aus der Familie ausgeschlossen).
Ein besonders dysfunktionales Kommunikationsmuster entsteht, wenn von einem Menschen durch Verletzung oder Androhung von Gewalt durch einen Stärkeren ein Opfer erzwungen wird. Dann entsteht ein Opfer-Täter-Beziehungsmuster, das kokreative Kooperation be- oder sogar verhindert. Das Dreiecks-Beziehungsmuster mit Rettern und Richtern zur Integration von Opfern soll dazu dienen, wieder zu einer friedlichen und kreativen Kooperation zu kommen, kann aber zur Störung werden, wenn es sich verselbstständigt (‚Opfer-Dreieck‘: Petzold 2017b, 2018b).
Solange wir eine Person und nicht nur ihr Handeln kritisieren oder pathologisieren, machen wir sie zum Opfer kultureller Bewertung und können nicht zu einer kooperativen Lösung finden. Wenn wir aber ihr Verhalten als ein gelerntes und im Lernkontext funktionales Muster verstehen und würdigen, können wir dies reflektieren und den Raum zum Erlernen neuer Kommunikations- und Kooperationsweisen öffnen, die im aktuellen Team funktionaler sind (s.a. Petzold 2010; Petzold & Lehmann 2011).
Die Antwort auf unsere Frage nach den Hindernissen gelingender Kooperation lautet also: Der Entstehungszusammenhang der reichlich vorhandenen Störungen menschlicher Kooperationen ist Folge der für unser Leben widersprüchlichen Realität: Sie enthält Aufbauendes und Zerstörerisches. In uns haben wir einen möglicherweise zunächst diffusen aber idealen Maßstab (Attraktor) zur Kooperation, der unsere Entwicklung in Richtung komplexer Kohärenz leitet und an dem wir die Realität messen. Durch wiederholte negative Erfahrungen in einem subjektiv bedeutsamen System bilden wir Kooperationsmuster, die in anderen Kontexten störend sein können.
Zum Beispiel lebt ein Kind in einer Beziehung zu seiner Mutter, die überfordert und fast nur mit sich selbst beschäftigt ist und so dem Kind nicht die Mindest-Aufmerksamkeit schenken kann, die dieses zu seiner gesunden Entwicklung braucht. Das Kind unternimmt vieles, um noch ein Mindestmaß an Zuwendung zu bekommen und macht die Erfahrung, dass sein Bemühen halbwegs erfolgreich ist, wenn es ausflippt, extrem lacht oder laut wird oder der Mutter Vorwürfe macht, so wie der Vater. Dann wird auch die Mutter aus ihrer Selbstbeschäftigung notfallmäßig herausgerissen und das Kind bekommt zumindest die Sorge der Mutter und des Vaters als einen Teil des persönlichen Eingehens im Rahmen der familiären Kooperation. In dieser Familie ist das Ausflippen und Vorwürfe machen ein Bestandteil einer relativ funktionalen Kooperation. Wenn dieses Kind erwachsen ist und in einer Gruppe nicht die gewünschte Aufmerksamkeit bekommt, und jetzt als erwachsene Person der Leitung Vorwürfe macht oder laut ausflippt, kann sie damit auf Ablehnung und Ausschluss aus der Gruppe stoßen und ggf. zu der Erkenntnis kommen, dass die Gruppe noch schlimmer sei als ihre Eltern (denn diese haben sie wenigstens nicht aus der Familie ausgeschlossen).
Ein besonders dysfunktionales Kommunikationsmuster entsteht, wenn von einem Menschen durch Verletzung oder Androhung von Gewalt durch einen Stärkeren ein Opfer erzwungen wird. Dann entsteht ein Opfer-Täter-Beziehungsmuster, das kokreative Kooperation be- oder sogar verhindert. Das Dreiecks-Beziehungsmuster mit Rettern und Richtern zur Integration von Opfern soll dazu dienen, wieder zu einer friedlichen und kreativen Kooperation zu kommen, kann aber zur Störung werden, wenn es sich verselbstständigt (‚Opfer-Dreieck‘: Petzold 2017b, 2018b).
Solange wir eine Person und nicht nur ihr Handeln kritisieren oder pathologisieren, machen wir sie zum Opfer kultureller Bewertung und können nicht zu einer kooperativen Lösung finden. Wenn wir aber ihr Verhalten als ein gelerntes und im Lernkontext funktionales Muster verstehen und würdigen, können wir dies reflektieren und den Raum zum Erlernen neuer Kommunikations- und Kooperationsweisen öffnen, die im aktuellen Team funktionaler sind (s.a. Petzold 2010; Petzold & Lehmann 2011).
Die Antwort auf unsere Frage nach den Hindernissen gelingender Kooperation lautet also: Der Entstehungszusammenhang der reichlich vorhandenen Störungen menschlicher Kooperationen ist Folge der für unser Leben widersprüchlichen Realität: Sie enthält Aufbauendes und Zerstörerisches. In uns haben wir einen möglicherweise zunächst diffusen aber idealen Maßstab (Attraktor) zur Kooperation, der unsere Entwicklung in Richtung komplexer Kohärenz leitet und an dem wir die Realität messen. Durch wiederholte negative Erfahrungen in einem subjektiv bedeutsamen System bilden wir Kooperationsmuster, die in anderen Kontexten störend sein können.
Kooperation im Annäherungs-, Abwendungs- und Kohärenzmodus
Wenn wir etwas als attraktiv, potentiell aufbauend bewerten, kommen wir in den neuro-motivationalen Annäherungsmodus, der uns mit Dopaminausschüttung ein Gefühl von Lust verschafft (sog. inneres Belohnungssystem; vgl. Grawe 2004; Petzold 2014).
Wenn wir eine Situation als potentiell zerstörerisch bewerten, springt unser neuro-motivationales Abwendungssystem (Vermeidungssystem) an, macht Angst und motiviert bei akuter Bedrohung zu Flucht, Kampf oder Totstellreflex. Bei anhaltender Gefahr suchen wir auch Kollaborateure, um die Bedrohung abzuwenden. Mit diesem Abwendungsmodus ist auch das Gefühl verknüpft, dass alles schnell geschehen muss, da die Bedrohung sonst womöglich zerstörerisch wirkt. Mit dem Abwendungsmodus kommen wir in Stress und erwarten von unseren Kooperationspartnern das gleiche. Kooperationen im Abwendungsmodus sind immer bezogen auf eine Bedrohung — wenn aktuell keine wirkliche vorhanden ist, wird eine gesucht oder konstruiert, wenn die Beteiligten aus früheren Situationen heraus in diesem Kampf-, Flucht- oder Schockmodus sind und deshalb keine Kooperation im Annäherungsmodus wollen oder kennen (s. ‚feindselige‘ Politik, Schüren von Angst vor äußeren Feinden, Fremdenfeindlichkeit; Erfindung von Krankheiten u.a.m.). Aus dem Abwendungsmodus heraus sind die Ethiken entstanden, die besonders auf die Rechtsprechung fokussieren. Hier geht es primär um Sicherheit, um das Verhindern von Bedrohungen. Dann entsteht das Dilemma, dass man positive Menschenrechte, wie z.B. das Recht auf Würde oder Gesundheit schlecht einklagen kann, sondern nur den Schutz vor deren Schädigung.
„Wo eine Vision fehlt, droht Chaos.“
Alte Volksweisheit
Kooperation im direkt mit dem Dopaminsystem verknüpften Annäherungsmodus ist z.B. gemeinsames Kochen, sinnliche Liebe, Geselligkeit u.Ä., also in der Regel auch recht kurzfristige Kooperationen. Aus dieser Motivation ist die sog. hedonistische Ethik hervorgegangen. Um für übergeordnete Ziele langfristig zu kooperieren, schaltet unser neuro-motivationales Kohärenzsystem[10] ein, mit dessen Hilfe wir sowohl auf aktuelle lustversprechende Aktionen (Genuss…, Suchtmittel) verzichten können, wie auch bei Bedrohungen Gelassenheit bewahren, die Gefahr analysieren und unsere Ressourcen realisieren können.
Lebenslanges Lernen im Kohärenzbewusstsein beinhaltet die Bereitschaft, tiefsitzende und früh gelernte Kommunikations- und Kooperationsmuster zu reflektieren, in Frage zu stellen und ggf. durch neue zu ergänzen.
Wenn wir heute die Kooperation zum großen ethischen Ziel vom guten Leben aller Menschen in der Biosphäre fortsetzen bzw. beginnen wollen, brauchen wir alle drei Systeme, wobei das Kohärenzsystem die anderen weise integrieren und leiten soll.
Im Kohärenzmodus sind wir bestrebt, unsere Erfahrungen in unterschiedlichen Rollen reflexiv zu integrieren und als Bestandteil von Kooperationen (Beziehungen und Interaktionen) zu verstehen — sowohl die lustvollen als auch die leidvollen (s. Fuchs: „Das Gehirn — ein Beziehungsorgan“ 2010). Im Kohärenzmodus können wir abwägen und vernünftige Entscheidungen treffen. Im Kohärenzmodus bewerten wir uns selbst und die jeweilige Situation und die Welt unter dem Aspekt von Stimmigkeit — dynamisch entwicklungsorientiert auch zwischen innen und außen. So kommen wir im Kohärenzmodus in die Lage, uns mit einer ethischen Haltung die ganze Menschheit in der Biosphäre in stimmiger Verbundenheit vorzustellen und parallel die vorhandenen Verletzungen und Unstimmigkeiten zu realisieren. In dieser Sicht kann aus einem globalen Visualisieren ein globales Kooperieren werden.
Lebenslanges Lernen im Kohärenzbewusstsein beinhaltet die Bereitschaft, tiefsitzende und früh gelernte Kommunikations- und Kooperationsmuster zu reflektieren, in Frage zu stellen und ggf. durch neue zu ergänzen.
Wenn wir heute die Kooperation zum großen ethischen Ziel vom guten Leben aller Menschen in der Biosphäre fortsetzen bzw. beginnen wollen, brauchen wir alle drei Systeme, wobei das Kohärenzsystem die anderen weise integrieren und leiten soll.
Im Kohärenzmodus sind wir bestrebt, unsere Erfahrungen in unterschiedlichen Rollen reflexiv zu integrieren und als Bestandteil von Kooperationen (Beziehungen und Interaktionen) zu verstehen — sowohl die lustvollen als auch die leidvollen (s. Fuchs: „Das Gehirn — ein Beziehungsorgan“ 2010). Im Kohärenzmodus können wir abwägen und vernünftige Entscheidungen treffen. Im Kohärenzmodus bewerten wir uns selbst und die jeweilige Situation und die Welt unter dem Aspekt von Stimmigkeit — dynamisch entwicklungsorientiert auch zwischen innen und außen. So kommen wir im Kohärenzmodus in die Lage, uns mit einer ethischen Haltung die ganze Menschheit in der Biosphäre in stimmiger Verbundenheit vorzustellen und parallel die vorhandenen Verletzungen und Unstimmigkeiten zu realisieren. In dieser Sicht kann aus einem globalen Visualisieren ein globales Kooperieren werden.
Internationale, transkulturelle Kooperation zum Wohle der Menschheit
Zwischen Nationen ist die Rechtsprechung zur internationalen Sicherheit noch in den Kinderschuhen. Auch wenn es inzwischen ein schon recht gutes Völkerrecht gibt, handeln viele Regierungen noch nach dem vermeintlichen ‚Recht des Stärkeren‘ und rächen kleine Verletzungen mit großen Vergeltungsschlägen (aktuell USA, Israel, Türkei, Saudi-Arabien u.a.m.), das schon im Alten Testament „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ begrenzt wurde[11]. Das ist seitens der aktuellen Regierungen ein Rückfall in die Barbarei.
Die breite Einsicht in die Notwendigkeit einer globalen geregelten Kooperation mit der Bildung der UNO war die wichtigste positive Folge des 2. Weltkrieges. Es ist sehr zu wünschen, dass wir Menschen es jetzt ohne einen größeren Krieg schaffen, die globale institutionell und rechtlich geregelte Kooperation so zu intensivieren und zu verbessern, dass sowohl mehr Menschen in Sicherheit und Wohlstand leben können als auch in einer gegenseitig förderlichen Kooperation mit der Umwelt.[12]
Mit dieser Ethik zur Kooperation geht es nicht darum, vermeintlich feststehende Erkenntnisse zur für alle verbindlichen Norm zu erheben, sondern es geht um eine Einladung zu einem zwischenmenschlichen, gemeinschaftlichen, kulturellen und globalen Entwicklungsprozess. In diesem historischen Übergang ins bewusste Anthropozän reflektieren immer mehr Menschen, Familien, Organisationen und Nationen ihre Rollen und ihren jeweils spezifischen Beitrag zum guten Leben aller Menschen. Weiter erhöhen sie ihren Beitrag zum Wohl der Menschheit und damit auch das tatsächliche Wohl aller Menschen. Für eine erfolgreichere Annäherung an das gute Leben aller Menschen brauchen wir mehr kokreative, verantwortungsbewusst gestaltende Kooperation. Dazu sind noch ganz viele Fragen offen, für die hier nicht genügend Raum ist. Diese werden langfristig intersubjektiv in Kommunikation geklärt zu kohärenten Erkenntnissen führen (Diskursethik bei Habermas 1983; vgl.a. Steigleder 2005), die dann von immer größeren Meta-Subjekten anerkannt werden.
Zu einer dazu inspirierenden Kommunikation in Vernetzung soll dieser Blog einladen und dienen.
Zu einer dazu inspirierenden Kommunikation in Vernetzung soll dieser Blog einladen und dienen.
Zusammenfassung
Im Übergang ins Erdzeitalter des reflektierten Anthropozän braucht es eine globale Ethik, die geleitet ist von einem Attraktor eines guten Lebens in und mit der Biosphäre. Dabei ist die Rolle der Menschen eine verantwortungsbewusste und -volle.
Der Weg und das Ziel sind desgleichen, weil das Ziel ein lebender Weg ist, ein kokreativer adaptiver Prozess. Dieser Weg heißt ‚mehrdimensionale Kooperation zum guten Leben aller Menschen in der Biosphäre‘ und reicht womöglich für unsere Zeit als einziges ethisches Gebot.
Der Weg und das Ziel sind desgleichen, weil das Ziel ein lebender Weg ist, ein kokreativer adaptiver Prozess. Dieser Weg heißt ‚mehrdimensionale Kooperation zum guten Leben aller Menschen in der Biosphäre‘ und reicht womöglich für unsere Zeit als einziges ethisches Gebot.
Literatur
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Fuchs T (2010) Das Gehirn — ein Beziehungsorgan. Stuttgart: Kohlhammer.
Grawe K (2004) Neuropsychotherapie. Göttingen: Hogrefe.
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Petzold TD (2012) Kultur, Kooperation, Kreativität und Salutogenese. Der Mensch 2012; 44: 22–30.
Petzold TD (2014): Gesundheit ist ansteckend — Praxisbuch Salutogenese. München: Irisiana.
Petzold TD (2015) Für eine gute Arzt-Patient-Kooperation ist die gemeinsame Intentionalität entscheidend. ZFA Z.Allg.Med.10: 6–10.
Petzold TD (2017) Schöpferische Kommunikation. Bad Gandersheim: Verlag Gesunde Entwicklung.
Petzold TD (2017b) Arzt-Patienten-Kooperation aus Sicht der Salutogenese — Fokus auf die Genesung — nicht auf die Erkrankung! In: Der Allgemeinarzt 11/2017 S.64–68
Petzold TD (2018) Identität — dynamisch und mehrdimensional. In: Geramanis O, Hutmacher S (2018) Identität in der modernen Arbeitswelt. Springer
Petzold TD (2018b) Einblick in die Salutogenese bei Krebs — Das Opfer-Integrationsdreieck. In: Naturheilkunde: Forum Komplementäre Onkologie / Immunologie 2/2018 S.8–9
Petzold TD, Bahrs O (2018). Beiträge der Salutogenese zu Forschung, Theorie und Professionsentwicklung im Gesundheitswesen. In: Jungbauer-Gans M; Kriwy P (2016–18) Handbuch Gesundheitssoziologie. Wiesbaden: Springer Fachmedien VS
Petzold TD, Lehman N (Hrsg.)(2011): Kommunikation mit Zukunft. Salutogenese und Resonanz. Bad Gandersheim: Verlag Gesunde Entwicklung.
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Ritter J (1972) Historisches Wörterbuch der Philosophie Band 2: D-F. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Steigleder K (2005) Die Bedeutung moralischer Prinzipien für die Orientierung des Handelns. In: Stegmaier W (Hrsg.) Orientierung. Frankfurt/M.: suhrkamp wissenschaft: S. 269–288.
Störig HJ (1992) Kleine Weltgeschichte der Philosophie. Frankfurt/M.: Fischer (S.710).
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Tomasello M (2014) Eine Naturgeschichte des menschlichen Denkens. Berlin: Suhrkamp.
Tomasello M, Hamann K (2011/2012) Kooperation bei Kleinkindern. In: Max-Planck-Gesellschaft Jahrbuch 2011/2012
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Wikipedia: Goldene Regel https://de.wikipedia.org/wiki/Goldene_Regel
[1] Der Religionswissenschaftler Florian Jeserich sieht eine Analogie zwischen den Begriffen Kohärenz, Attraktor und Gott in der Regula Benidicti (2016).
[2] In der variabel angepassten Tit-for-Tat Regel finden sich eine Reihe von anpassbaren Anwendungsmöglichkeiten für verschiedene Kooperationen. Hier ist sicher noch ein lohnenswertes Feld für Kooperationsforschung im Zusammenhang mit Ethik.
[3] Attraktor ist ein Begriff aus der Chaos- und Komplexitätsforschung und bezeichnet einen Zustand, auf den sich ein System hinbewegt. Lebende Systeme regulieren sich zielorientiert, ggf. chaotisch auf einen Attraktor zu.
[4] Als Ergebnis haben sie die menschliche ‚Kooperation‘ so definiert: „Neben dem gegenseitigen Eingehen aufeinander (1) sind die Beteiligten durch ein gemeinsames Ziel verbunden, und (2) die Akteure stimmen ihre Rollen miteinander ab, wozu auch die Unterstützung des Anderen in seiner Rolle gehört.“ Tomasello & Hamann 2011/2012
[5] Mitwissen, Gewissen und Bewusstsein (Descartes) sind interessanter Weise alles Übersetzungen des lateinischen Wortes ‚conscentia‘ und bezeichnen womöglich unterschiedliche Aspekte von Mitwissen an Übersystemen.
[6] In dieser Losung (frei nach Green-Peace: Global denken — lokal handeln!) können wir eine gewisse Ähnlichkeit zum ‚Kategorischen Imperativ‘ von Kant sehen, nur dass hier die letzte Begründung einer „Maxime“ nicht im individuellen Subjekt, sondern im Globalen gesehen wird.
[7] Dabei verstehe ich ‚Intentionalität‘ weiter als nur eine konkrete Absicht als eine ‚Gerichtetheit der Intention / Absicht‘.
[8] Wenn wir die Entwicklung von Menschen unter dem Aspekt betrachten, dass ihr grundlegendstes Bedürfnis das nach Kooperation ist und alle anderen Bedürfnisse die Kooperation in bestimmten Situationen / Lebenslagen betreffen, würde sich daraus eine neue Psychologie der Kooperation / des kooperativen Menschen ergeben, tiefenpsychologisch und psychodynamisch. Eine Arbeit daran erscheint vielversprechend.
[9] Der Neologismus Kokreativität bezeichnet Kreativität in Kooperation.
[10] Das Kohärenzsystem bezeichnet das dritte neuro-motivationale System, das dem direkt Dopamin gesteuerten Annäherungssystem und dem Abwendungssystem übergeordnet ist. Der Kohärenzmodus bezeichnet einen Bewusstseinszustand, in dem wir unserer übergeordneten Kohärenzmotivation folgen, die nach einer Integration und Steuerung aller Erfahrungen strebt.
[11] Dieses Ger(e)ächtigkeitsprinzip des Alten Testaments zeigt eine starke Ähnlichkeit mit der Tit-for-Tat Regel in der Spieltheorie und der o.g. Goldenen Regel.
[12] Dazu haben Franz Alt, Christian Felber und Michael Barrett in diesem Heft schon konkrete sehr diskussionswürdige Vorschläge gemacht.
Von Theodor Dierk Petzold am 25.11.18