Vertrauen in der Corona-Krise

Was ist ein Virus?

Durch die Beobachtungen von Corona – insbesondere beim Studium des Blogs von Tomas Pueyo – konnte ich meine Vorstellungen über das Wesen von Viren korrigieren oder ganz neu klären.

Viren werden im Allgemeinen als weder tote Materie noch Lebewesen verstanden – also eher per Ausschluss definiert: Sie gehören weder zu den uns bekannten Lebewesen noch sind sie nur chemische Materie. Sie bestehen zwar aus Genen, sind aber keine Zellen und haben keinen eigenen Stoffwechsel (wie Bakterien es haben).

Heute kann ich es in Worte fassen: Viren sind eine genetisch manifestierte Information. Mit dieser Sicht lassen sich die Wirkung von und der zweckmäßige Umgang mit Coronaviren besser verstehen. Diese virale Information kann sich nur in körperlicher Kommunikation und Kooperation mit Lebewesen vermehren, hier nehme ich nur Menschen in Betracht. Ohne Kooperation mit uns existiert das Virus nicht. Der Wirt des Virus kann diesem bei der Vermehrung helfen oder nicht: Seine Kooperation mit dem Virus bestimmt mit über dessen Infektiosität. Wenn die Ansteckungsrate Ro dauerhaft kleiner als 1 wird, vergeht das Virus. Es hat kein Eigenleben. Seine Existenz folgt mathematischen Regeln der Ansteckung. Auf diesen Erkenntnissen basieren die Erfolge bei der Eindämmung der Epidemie in China und Südkorea. Wir brauchen keine „Durchseuchung“ und „Herdenimmunität“. Dadurch würde nur die Gefahr weiterer Mutationen wachsen.
Weiter können wir es mit unserem Immunsystem innerhalb des Organismus vernichten oder das Immunsystem scheitert an dieser Herausforderung: Davon hängt die Gefährlichkeit des Virus ab. Allerdings verliert das Virus seine Existenz auch dann, wenn der betroffene Mensch stirbt.

Mit wem oder was will ich wie kooperieren?

Neu in mein Bewusstsein gekommen ist der kommunikative und kooperative Aspekt des Virus: Das Coronavirus braucht offenbar existentiell die Kooperation mit uns, was heißt, dass wir es weitergeben. Wenn diese Kooperation ausbleibt, hört es auf zu existieren – von „leben“ und „sterben“ will ich nicht sprechen, da es nach Lehrmeinung kein eigenständiges Lebewesen ist. An dieser Stelle greifen unsere aktuellen Maßnahmen: Durch distanziertere mitmenschliche Kommunikation und Kooperation kann das Virus sich nicht vermehren, da es auf materielle Übertragung seiner Information angewiesen ist. Wir versagen dem Virus unsere Kooperation und es hat keine weitere Chance, in Beziehung zu Menschen zu kommen und hört auf zu existieren (wie 2003 SARS-1).

Deshalb ist aktuell unsere wichtigste Maßnahme angesichts einer Infektionskrankheit, dass wir nur mit ganz wenigen Menschen und immer mit denselben sinnlich nah kommunizieren. Mit allen anderen halten wir einen Abstand von 1-2 m (je nachdem, ob jemand hustet). Damit können wir die Infektion vermeiden und eliminieren.

Mit etwas körperlichem Abstand können wir unter Menschen auch gut kommunizieren. Was dabei möglicherweise etwas verloren geht, ist die sinnliche Lust, ein grenzüberschreitendes Körpergefühl. Was dabei gewonnen werden kann, ist mehr Achtsamkeit für Grenzen, mehr Respekt für den anderen – ein erweitertes Bewusstsein für Begegnung, Kontakt, Berührung und für Mimik und Worte. Kommunikation kann bewusster und wertschätzender, womöglich auch wahrhaftiger und herzlicher werden – trotz oder gerade wegen der Distanz.

Welche Informationen senden und empfangen wir dann? Wie freuen wir uns über ein Lächeln aus der Distanz? Welche Botschaften sind mir so bedeutsam, dass ich sie über den Abstand hinweg kommunizieren möchte?

„Nicht ‚blindes‘, sondern sehendes Vertrauen… scheint mir das höchste Gut zu sein…“ Martin Buber

Was ganz besonders in Corona-Zeiten auf die Probe gestellt wird, ist unser Vertrauen. Vertrauen in unsere Mitmenschen, auch wenn wir sie nicht in den Arm nehmen und ihre Hände fassen. Vertrauen ins Leben, auch wenn uns von den Medien täglich steigende Zahlen von Toten vorgehalten werden. Vertrauen in friedliche mitmenschliche Kooperation – auch weltweit und mit der Biosphäre – selbst wenn überall von „Krieg“ geredet wird.

Urvertrauen wie Kohärenzgefühl ist die Grundlage für Salutogenese und für salutogene Kommunikation. Vertrauen kann übertragen werden – auch über zwei Meter Abstand. Wir können Vertrauen schenken und es kann sich verbreiten – auch über größere Distanz – womöglich besser und nachhaltiger als Viren? Das ist salutogene Kommunikation.

Sehendes Vertrauen befähigt uns, mit unseren Mitmenschen sowie PolitikerInnen und WissenschaftlerInnen jeweils angemessen zu empfangen und zu senden – in Zeiten von Corona womöglich anders als sonst.

Wir können in der akut bedrohlich erscheinenden Phase der Krise die Angst der Menschen und Verantwortlichen sehen und ernst nehmen und trotzdem Vertrauen in die Entwicklung haben und teilen. Wenn wir unseren Beitrag zum Abwenden der viralen Bedrohung geleistet haben, können wir aus dieser angstbesetzten Einengung des Bewusstseins (lat. Angina mentalis) wieder auftauchen. Wir können uns öffnen für andere Dinge, die wir aus dem Blick verloren haben oder ganz neu erkennen, die möglicherweise für die gesunde Entwicklung in Zukunft genauso wichtig sind oder noch wichtiger. Das gilt sowohl für uns persönlich als auch für unsere Familie und Freunde, für unsere Kultur und für die gesamte Menschheit und Biosphäre.

Was halten wir für die Zukunft für bedeutsam? Was sollen die Ziele und Inhalte unserer langfristigen Kooperationen sein?

Von Theodor Dierk Petzold am 24.3.20

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